INKUNABEL EVANGELISCHER KIRCHENMUSIK

Eines der ersten Kirchengesangsbücher

AUTOR

Johannes Spangenberg (1484-1550)

TITEL

Kirchengesanng Teutsch und Lateinisch. In allen Christlichen versamlungen gebreuchlich.

DRUCKER

Johann vom Berg & Ulrich Neuber, Nürnberg, 1560

BESCHREIBUNG

Höchstseltenes, das zweite überhaupt bekannte Exemplar dieses sorgfältig angefertigten liturgischen Druckes von deutschen Chorälen und lateinischen Hymnen, wobei der gedruckte Text gegenüber der ersten Ausgabe von 1557, dem einzigen früheren Druck, erheblich überarbeitet wurde. Enthalten sind 84 deutsche Choräle, darunter 31 von Martin Luther, und 64 lateinische Hymnen, u.a. das vierstimmige Magnificat. Während die gedruckten Noten mit denen der Ausgabe von 1557 (siehe VD16 P 2273) identisch sind, ist es recht interessant festzustellen, dass die Betonungen der Liedtexte stark überarbeitet wurden, offenbar um die beabsichtigte Intonation genauer wiederzugeben und den Verrichtern des evangelischen Gottesdienstes eine bessere Anleitung geben zu können.

Martin Luther und seine Bundgenossen hatten die klassische Messe der katholischen Kirche abgeschafft. Insofern war eine Reformation bei den Kirchenliturgien besonders schwierig, denn man konnte die Kirchenliturgie, ebenso wie die Bibel nicht neu erfinden, sondern musste diese künstlerisch, als auch in den Texten sorgfältig und gefühlvoll anpassen. Luther entdeckte seit 1523 zwar die Kraft des Liedes und der Musik, er war jedoch weder Liedermacher, noch Komponist und zu seinen Lebzeiten hinkte daher die Reformierung der Kirchenmusik gegenüber anderen Feldern der Reformation weit zurück. Allein Johannes Spangenberg (1484-1550) und der Torgauer Kantor Johann Walther (1496-1570) arbeiteten angestrengt an der Zusammenfassung evangelisch modifizierter Kirchenliturgien, welche jedoch erst ab 1545, ein Jahr vor Luthers Ableben, in einigen, allesamt sehr selten noch erhaltenen Druckwerken herausgegeben wurden.

Obwohl im VD16 kein Autor verzeichnet ist, schreiben wir dieses Werk Johannes Spangenberg zu. „Spangenberg war evangelischer Theologe, Reformator und Mitstreiter Luthers. 1524 berief ihn der Rat von Nordhausen als Schulrektor und Prediger. Er kommentierte Werke von Philipp Melanchthon, verfasste aber auch eigene Schriften. Vor allem aber sammelte er Lieder für die evangelische Gemeinde, die er im vorliegenden Werk 1545 herausgab. Unter anderem ist ihm die Überlieferung „Oh Lamm Gottes unschuldig“ zu verdanken, welche im Evangelischen Kirchengesangbuch unter der Nummer 55 aufgenommen wurde. Spangenbergs Ausarbeitungen zeigen, wie sehr Luthers bis dato nicht umgesetzte Vorstellungen einer Kirchenliturgie von der zweiten Generation der Lutheraner berücksichtigt und zementiert wurden. Allerdings ist uns eine Stellungnahme Luthers hierzu nicht urkundlich. Eine wissenschaftliche Verarbeitung der Frage der Stimmigkeit der sprachlichen und somit auch religiösen parallelen Liturgien sowie eine genaue Analyse der Deutschen Gesänge hinsichtlich der Luther´schen Kriterien liegt uns bis heute nicht vor. Insofern gibt es hier reichlich Raum für weitere Forschungen.“ (Quelle: Tilo Hofmann, Katalog InMediasRes).

Auf dem hinteren Vorsatz befinden sich zwei weitere Kirchenliedtexte „Gott heiliger Schöpfer aller Sterne“ und „Gott Vater Schöpffer aller Ding“ in zeitgenössischer Handschrift ergänzt.

AUSSTATTUNG

Titel in Rot und Schwarz gedruckt. Eine allegorische Holzschnitt-Titelvignette, einem auf 1559 datierten ganzseitigen Wappen-Holzschnitt von Virgil Solis sowie etliche Holzschnitt-Notationen mit Initialen.
Abmessungen Blatt: 31,5 x 19,5. Satzspiegel: 24,5 x 13,5 cm.

KOLLATION

119 römisch num. Blatt (I-CXIX); 3 nicht num. Blatt. Vollständig.

EINBAND

Originaler Renaissance-Einband einer wohl sächsischen Werkstatt. Blindgeprägtes Schweinsleder über massiven Holzdeckeln. Deckel mit rechteckig verlaufenden Streicheisenlinien. Außen Stempelrolle Palmettenfries, mittig Heiligenrolle, innen eine weitere Portraitrolle. Mittelkasten mit Palmettenfries verziert. Zwei intakte Schließen. Vorderdeckel mit vier Eckbeschlägen und einem Mittelbeschlag, auf dem hinteren Deckel sind diese alt entfernt. Gebunden auf vier echten Bünden. Guter Zustand. Deckel fleckig und berieben. Kanten bestossen. Hinterer Deckel oben mit alter, fachmännischer Restaurierung. Buchblock und Bindung fest und stabil.
Folio: 31,5 x 21,5 x 4 cm.

ZUSTAND

Sehr gute Erhaltung. Sehr sauberes und breitrandiges Exemplar mit nur wenigen Flecken. Partiell vor allem in den Rändern etwas fingerfleckig. Ab und an kleinere Randläsuren. Die letzten Blätter mit kleiner Wurmspur und teils neu angefalzt.

PROVENIENZ

Sammlung Alfred Cortot (1877-1962) – Innendeckel mit Exlibris des bedeutenden Komponisten sowie montierter in Schreibmaschine verfasster bibliographischer Angabe. Cortot war ein französischer Pianist, Klavierpädagoge, Komponist, Dirigent und Musikschriftsteller Schweizer Herkunft. Er gilt als eine der bedeutendsten und einflussreichsten Persönlichkeiten des Musiklebens des 20. Jahrhunderts.

NACHWEIS

Literatur: VD 16 ZV 21307.
Bibliotheken: Nur ein einziges anderes bekanntes Exemplar dieses Druckes in der Staatsbliothek in Berlin; OCLC verzeichnet kein Exemplar dieser oder der Ausgabe von 1557 außerhalb Deutschlands.

KULTURGUT SICHER ERWERBEN

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Preis
15.800 €
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Tilo Hofmann
Artikelnummer
S448
84 deutsche Choräle, darunter 31 von Martin Luther und 64 lateinische Hymnen

Johannes Spangenberg

Kirchengesanng Teutsch und Lateinisch.

Johann vom Berg & Ulrich Neuber, Nürnberg, 1560

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Tilo Hofmann
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Highlight

Wahrlich ein unglaublicher Schatz!

Das Vierte gedruckte Buch:
Schöffers Durandus von 1459

Diese hier vorliegende Druckausgabe der „Rationale“ von Durandus ist von höchster Bedeutung für die Geschichte der Typographie und gilt als das dritte datierte und vierte überhaupt gedruckte Buch. Vorausgegangen waren lediglich die um 1455 gedruckte Gutenbergbibel sowie die ebenfalls in der Offizin von Fust und Schöffer entstandenen Psalter vom 14. August 1457 und vom 29. August 1459. Eigens für diesen Druck schuf Peter Schöffer die sogenannte „Durandus-Type“, eine Gotico-Antiqua, die Elemente der Rotunda mit den Stilmerkmalen der italienischen Humanistenhandschriften verbindet.

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