SCHOLIENDRUCH MIT DEN BUSSREGELN IN DEUTSCH

Penitentionarius von Johannes Garlandia

AUTOR

Johannes de Garlandia (um 1195-1273)

TITEL

Penitentionarius.

DRUCKER

Hieronymus Hölzel, Nürnberg, um 1504

HINTERGRUND UND BEDEUTUNG

Seltene und kuriose Ausgabe einer für Schulzwecke eingerichteten Sammlung moralisierender Verse, welches vor allem Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts verbreitet war. Die Besonderheit derartiger Scolarien ist die Begleitung der lateinischen Texte durch eine Übersetzung in deutsche Verse, wie sie zumeist in Leipzig bei Konrad Kachelofen erschienen. Diese Art Lehrbuch war offenbar sehr beliebt, und ist eng verwandt mit dem Regimen moralitatis und den Regimen Scholarium.

Der Text umfasst 31 lateinische Verspaare (Hexameter, elegische Distichen, zum Teil in verschiedenen Reimformen) und vermittelt Anweisungen und Sentenzen zur Reue, Buße und Beichte. Im wörtlichen Sinne bedeutet das P(o)enitentionarius „Gefängnis“, ersatzweise hier die „Strafeinheit“ für Sünden, die durch Reue Beichte und Buße zu leisten ist.

Diese deutschen Verse sind inhaltlich und wissenschaftlich von großer Bedeutung und amüsant zugleich. Da sie nicht eine eigentliche Übertragung der lateinischen darstellen, sondern eine freie Umschreibung mit passender Formulierung, so war es ratsam, jeder lateinischen Strophe eine genaue deutsche Übersetzung folgen zu lassen. Die lateinische Sprache ist, auch abgesehen von Metrum, Rythmus und Reim, nachklassisch. Es kommen mehrfach Wörter vor, welche der Form oder Bedeutung nach spät, wenn nicht gar erst im eigentlichen Mittelalter entstanden sind. Ein Blick auf die Gestaltung der deutschen Sprache in unseren Versen zeigt jene Unsicherheit, welche für die Übergangszeit vom Mittelalter zum Neuhochdeutschen bezeichnend ist.

Obgleich die Autorschaft der Regimen und Scolarien unbekannt ist, wird das vorliegende Werk häufig Johannes de Garlandia zugeschrieben. Garlandia war englischer Hochschullehrer, Dichter und Schriftsteller, der mit seinen Lehrschriften eine große Wirkung im spätmittelalterlichen Europa entfaltete.

TEXTBEISPIELE

„Will du von sunden weichen icht – Fleuch wollust spil und wertlich geschicht

Vor böser Gesellschafft dich bewar – Und auch vor rhummer lewt schar“

„Der fluß offte grossen schaden bringet – Wenn der brun von dem her springet

Trunckenheyt grosse sünde bracht – Dem Loth seine tochter schwanger macht

Auß zorn kam vill grosser ungefug – Do Cayn seinen bruder erschlug.“

„Der jungfrawen oder frewndin schwecht – Der yemandt tödtet oder eltern schlecht

Der in unkeuscheyt unnaturlich ist – Der gelauben hat hat mit falscher list

Der yemandt brennet oder got schendet – Der ketzert oder die ehe zu trennet

Will der rechte pusse tragen – Er muß seine sünde dem bischoff klagen“

„Gegen deinen feinden hab nit arg gedancke – Trunckenheyt puß mit wasser trancke

Des leibes lust ein scharffe ruten – Reynliche puß auß ganntzem mute“

AUSSTATTUNG

Einspaltige, gotische Type mit versversetztem, 43-zeiligem Druck.

Blattgröße: 19,3 x 13,5 cm, Satzspiegel: 16 x 8 cm.

KOLLATION

4 nicht num. Blatt in Lagenpaginierung A1-4. Das Werk ist vollständig.

EINBAND

Marmorierter Umschlag, eingebunden in einem neueren Pergamenteinband mit goldgeprägtem Rückenschild. Sehr guter Zustand. Buchblock und Bindung fest und stabil.

Abmessungen: 19,8 x 15 x 1 cm

ZUSTAND

Guter Zustand mit Alters- und Gebrauchsspuren. Durchgehend gleichmäßig gebräunt und partiell leicht fleckig und fingerfleckig. Titelblatt mit kaum sichtbaren, angefaserten Fehlstellen im weißen Rand. Die anderen drei Blätter mit hinterlegter oberer Ecke. Titelblatt mit zeitgenössischen handschriftlichen Annotationen.

PROVENIENZ

Aus der Bibliothek des Lutherforschers Dr. Eberhard Lorenz. Dessen Bibliotheksstempel auf dem Vorsatz.

NACHWEIS

Literatur: VD16 ZV 21440; Hain II, 13165; BM 10978; Kat. Olschki 12174; Grass, Büchermerkwürdigkeiten, 171; Nicht bei Adams.

Preis
2.600 €
*
Haben Sie Interesse am Objekt?
Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail
Katrin Hofmann
Artikelnummer
S785
„Trunckenheyt grosse sünde bracht – Dem Loth seine tochter schwanger macht…“

Das Penitentionarius – ein äußerst seltener Scholiendruck mit lateinisch-deutschem Parallelversen

Hieronymus Hölzel, Nürnberg, um 1504

Haben Sie Interesse am Objekt?
Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail
Katrin Hofmann
Zum Anfang der Seite

Highlight

Mittelalterliche Bibelhandschrift

Biblia Sacra, Paris, um 1250

Reich illuminierte Handschrift auf Jungfernpergament. Diese Handschrift gehört zu den sogenannten „Perlbibeln“, den kleinsten Vollbibeln überhaupt. Dieser Handschriftentyp wurde im frühen 13. Jahrhundert im Umkreis der Pariser Universität entwickelt, um den neuen Bedürfnissen der sich zu dieser Zeit herausbildenden Metropolen zu entsprechen. Insbesondere die gewachsenen Anforderungen an Mobilität ließen die bis dahin in den Abmessungen eher voluminösen Bibeln auf ein Kleinstformat reduzieren. Sie passte somit unter die Kutten der Mönche, die das Wort Gottes in den Metropolen verbreiteten. Daher wird dieser Bibeltypus auch „Taschenbibel“ genannt.

Äußerst spannend! Lust auf mehr? 

Ähnliche Artikel