REFORMATION - ÜBERLEBENSKAMPF DER LETZTEN MÖNCHE IN GRIMMA

Augustinerkloster Grimma an die Sequestratoren

VERFASSER

Johannes Weißmantel (Prior bis 1534)

TITEL

Brief des Priors des Augustinerklosters an die zu Zwickau versammelten Sequestratoren bezüglich wegfallender Stiftungen im Zuge der Klosterauflösung.

ENTSTEHUNG

Augustiner-Eremiten-Kloster zu Grimma, Donnerstag nach Michaelis (29.IX.) 1534

BESCHREIBUNG

Eindrucksvolles Zeugnis der administrativen Probleme bei der Auflösung der Klöster während der Reformation. Im Jahr 1529 wurde in Grimma die Reformation eingeführt. Die ersten Mönche hatten das Kloster bereits 1522 verlassen. 1529 stellten die Sequestratoren fest, dass noch neun Mönche das Kloster bewohnten und dass der Prior Johannes Weißmantel dasselbe zu räumen hatte. Doch dieser wehrte sich gegen diese Forderung und hielt diese „katholische Stellung“ bis ins Jahr 1541 und brachte die letzten Mönche mehr schlecht als recht durch diese für Betbrüder sehr schwierigen Zeiten.

Deutsche Handschrift auf Papier. Dreiseitig beschriebenes Doppelblatt, rückseitig mit Adresse und papiergedecktem Siegel des Klosters. Ehemals gefaltet.

INHALT

Der Prior schreibt an die Sequestratoren, dass der Konvent eine Vereinbarung hat, nach der die Brüder Tilen dem Kloster 400 Gulden für Wein, Brot und Wachs stiften. Als Gegenleistung wurde Messelesen für die Stifter für deren Seelen vereinbart. Nun wollen die Brüder Tilen offenbar das Geld zurück, da das Kloster aufgelöst werden sollte. Aber davon steht nichts in der Stiftung, also dem Brief, von dem die Mönche eine Kopie haben. Da aber der Kurfürst möchte, dass die Mönche die Gelder, oder zumindest die Zinsen der Stiftung als eine Rente behalten sollen, bitten die Mönche den Kurfürsten, bzw. die Sequestratoren in Zwickau, an die der Brief gerichtet ist, sich dafür einzusetzen und sich gegen die Rückforderung der Tilen zu stellen.
Umso mehr, da die Mönche befürchten, dass auch andere Stifter oder deren Erben, die das Kloster in katholischen Zeiten unterstützt haben, ihre Gelder zurückhaben wollen, da sich die Stiftung sich auf das Messelesen in katholischer Zeit bezog. Da dies im Zuge der Reformation künftig entfällt, scheint die Rückforderung der Stiftungsgelder berechtigt. Der Konvent argumentiert, dass die Tilen aus zwei Lehen vom Kurfürsten jährlich Zinsen empfangen, aber der Zweck des Lehens auch nicht mehr die Zahlung der Zinsen rechtfertigt: „Herr Caspar Tilen zwei Lehen hat, davon er seinen Zinsen jährlich nimmt, und auch das nicht tut, darum das Lehen gestiftet wurde“. Deswegen wollen die Mönche auch weiter die Gelder aus den Stiftungen der Tilen (und anderer) beziehen. Die Erben des alten Tilen, die Brüder Melchior und Lorenz, fechten das Testament des Alten auf dem Sterbebett an, in dem die Zahlung der Stiftungsgelder an das Kloster ausgewiesen ist.
Die Mönche fürchten, dass dieses Beispiel Schule macht und auch andere Stifterfamilien die Testamente anfechten und Gelder zurückziehen. Der Kurfürst bzw. die Sequestratoren dürfen den Erben „nicht Recht tun, dass sie von solchem Vorhaben absehen wollen und das Kloster in Unkosten stürzen.“. Die Mönche haben außer dem Kurfürsten keine Unterstützer, um ihre Forderungen durchzusetzen.

HISTORISCHER ZUSAMMENHANG

Bereits während der ersten „Klosterfluchten“ im Ernestinischen Sachsen, erhielten die Mönche Abfindungen von Kurfürst Johann Friedrich I., welche jedoch zeitlich schleppend ausgezahlt wurden. Bis zur Auszahlung dieser erhielten sie Überbrückungsgelder von der Stadt, da sie nicht mehr Mitglieder des Konvents waren und sich folglich auch nicht mehr vom Kloster versorgt wurden (siehe hierzu: Uwe Bachmann, Beitrag in der Zeitschrift für Thüringische Geschichte Bd. 76, S. 279-304; 2022). In unserem Fall, schreibt der Prior als Vorstand der noch neun im Kloster verbliebenen Brüder an die Sequestratoren, dass diese noch keine Abfindungen oder Überbrückungsgelder beziehen, weil ja ihr Kloster noch besteht und sie das dieses nicht verlassen wollen. Da der Adel sich jedoch reformiert hatte, drohten nun auch die Einkünfte über Stiftungen und deren Zinsen auszubleiben, was den Mönchen jede Lebensgrundlage raubte. Weißmantel stellt also die Frage nach dem „Was nun?“. Irgendwie schaffte es Prior Weißmantel, die Mönche bis 1541 über Wasser zu halten, denn erst zu diesem Zeitpunkt verließ der letzte Mönch das Kloster und es wurde endgültig aufgelöst.

Wir danken Herrn Uwe Bachmann, Leipzig für seine kompetente Mitwirkung bei der Erforschung dieser Urkunde.

TRANSKRIPT

„Gnad vnd fride durch christus vnsren Heylanndt Gestrenger Ernvesten liben Herren Ich hab ein Kopen von dem [henpt ] briff vberkommen In welchen sich das closter bekennet das wir firhundert fl [Gulden] von melchor vnd Lorentz Tilen zu eyne styfft alß zu wein vnd wrot [Brot] vnd wachs zu gottes Dinst geordent vnd geben sein. Aber es ist mit keynen wort In dem brieff benennet das wir solch firhundert fl seynen Erben wider geben sollen. Dy weil dan vnser gendigster Her wil haben das den geistlichen p[er]sonen Ire stifft vnd zcyns folgen sollen vnd sein Churfürstliche gnaden auch mit vnser leben […] das vnß dy x ß von sein[er] C g rente laset folgen Dy auch auff meßhalten gestifftten vnd der selbigen Erben eyner als Er… Casp Til zwey lehen hat da von Er sein Zyns Jerlich nimpt vnd auch das selbige nicht pflegt zu thun dar vmb sy gestifft sein Hoff Ich sy sollen vnß auch da bey losen bleyben. Das sy aber furbenden Ir Vater solt auff seyn todbedt solch testament wider ruffen haben konnen sy nicht warmachen weder mit schrifften noch mit [glaubwürdigen] Zeügen. Es ist auch zu forchten, wen Inen [etwas] eingereumet werde von den vierhundert fl So werden als bald sich andere fynnen dy auch Ir testament In das closter gemacht haben als Wolff von Zceymen dy Erben Andres Kandl… [?] dy Erben Simon Walters Vlrich Groß vnd andere mehr dy do hoffen wen eyner etwas erlangen werde so wollten sy auch noch folgen.

Da dürch den vnser gnedigster Herr sampt ewren gestrenken vhil vberlauffens [werde?] haben der halben gestrengen Ehrnvhesten Herren byt ich, woldet den selbigen Erben alß Melchor Tilen sonen vnd nicht recht thon das sy von solchen vornemen wollen abstehen vnd vnß nicht ferner In vnkost bringen. Wen aber vnser gnedigster Herr der C f sampt Eweren […] dy sach andes erkennen würden so sein wyr ferner C f gnaden mit leib vnd mit güt vnd sein C f g ist vnser alzeit mechtig. Wyr haben auch sonst nimant zu dem wyr zuflucht haben. Den seyne C f vnd zu Ewern [&] In vnsern anligenden sachen Do mit seynt dem almechtigen befollen.

Geben zu Grym[ma] im closter In xvc vnd in xxxiiii Jar Donerstag nach estomihi.

Johannes Weyßmantel prior In Closter zu Grym[ma] Ewern C vnderteniger vnd gehorsamer Dyner [etc.] Den Gestrengen Ernvhesten Herren der Sequestration Itzunder zu Zwickau versammelt meynen günstigen Herren vnd Patronen Des Priors Zu Grim bericht, der iiii C [400] fl so die Tilin ins closter bescheidenn dy Tilen“

ABMESSUNGEN

Doppelblatt 33,5 x 42 cm; Schriftspiegel: 22 x 16 cm.

ZUSTAND

Guter Zustand. Gleichmäßig etwas gebräunt und in den Rändern leicht lädiert. Gering angestaubt. Faltspuren.

PROVENIENZ

Sammlung Otto Hupp

REFERENZ

Uwe Bachmann, Beitrag in der Zeitschrift für Thüringische Geschichte Bd. 76, S. 279-304; 2022

KULTURGUT SICHER ERWERBEN

Hiermit bestätigen wir Originalität sowie einwandfreie Herkunft der vorliegenden Urkunde. Das Objekt ist zum Zeitpunkt des Verkaufs frei von Rechten Dritter und wird ausschließlich innerhalb Deutschlands verkauft.

Preis
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Tilo Hofmann
Artikelnummer
S820B
Mönche kämpfen ums Überleben

Eindrucksvolles Zeugnis der administrativen Probleme bei der Auflösung der Klöster während der Reformation. Im Jahr 1529 wurde in Grimma die Reformation eingeführt. Die ersten Mönche hatten das Kloster bereits 1522 verlassen. 1529 stellten die Sequestratoren fest, dass noch neun Mönche das Kloster bewohnten und dass der Prior Johannes Weißmantel dasselbe zu räumen hatte. Doch dieser wehrte sich gegen diese Forderung und hielt diese „katholische Stellung“ bis ins Jahr 1541 und brachte die letzten Mönche mehr schlecht als recht durch diese für Betbrüder sehr schwierigen Zeiten.

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Highlight

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