MORDAUFKLÄRUNG IM MITTELALTER DURCH FORENSISCHE GERICHTSMEDIZIN

Leichenschaubericht Tötungsdelikt AD 1295

VERFASSER

Die Bologneser Ärzte & Magister Nicholaus und Vinciguerra

TITEL

Handschriftlicher Leichenschaubericht in einem Tötungsdelikt.

ENTSTEHUNG

Bologna, 27. April 1295

BESCHREIBUNG

Lateinische Handschrift auf Papier in 13 Zeilen.

Die beiden Ärzte Magister Fr. Nicholaus und Magister Vinciguerra begutachten im Auftrag des deputierten Strafrichters Lanternus in der Bologneser Gemarkung „Castrum Brictonis“ den Leichnam eines gewaltsam zu Tode gekommenen Jungen („vulneratum et mortuum“). Neben harmloseren Verletzungen identifizieren sie auch zwei tödliche Wunden, nahe der rechten Brustwarze („unum vulnus positum prope manillam dextram“) sowie unterhalb der linken Achselhöhle („sub ascella sinistra“).

Bologna, die zu dieser Zeit die Welthauptstadt der Jurisprudenz war auch in der Entwicklung der Rechtsmedizin tonangebend. Um 1265 führte Wilhelm von Saliceto die erste Leichenbeschau durch und gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurde diese bei gewaltsamen Todesfällen verpflichtend. Zwei durch Los bestimmte Ärzte waren angehalten, einen Leichenschaubericht zu erstellen und erst danach konnte die Bestattung freigeben werden.

Zu einer vergleichbaren Entwicklung der Gerichtsmedizin, mit Leichen- und Wundbeschau, unter Hinzuziehung von Ärzten, kam es in Frankreich und Deutschland erst im Verlauf des 14. u. 15. Jh. – Das vorliegende Dokument zählt zu den frühesten erhaltenen Leichenschauberichten und ist ein herausragendes Dokument zur Geschichte der Forensik.

TRANSKRIPT

„Magister Frater Nicholaus / Magister Vinciguerra medicis pro comuni qui de mandato domini Lanterni
iudicis domini potestatis ad malleficia fuerunt ad terram castri Brictonis ad videndum et temptandum filium Chr. Johannis vulneratum et mortuum dicunt eorum sacramento de novo prestito quad invenerunt in eo unum vulnus positum prope manillam dextram in pectore et illud dicunt esse mortale. Item invenerunt in eo unum vulnus in coxi a sinistre et illud dicunt non esse mortale. Item invenerunt in eo unum valnus positum in capite ad latere posteriori ex parte dextra et illud dicunt non esse mortale. Item invenerunt in eo unum aliud vulnus positum sub ascella sinistra et illud dicunt esse mortale. Item invenerunt in eo anum aliud vulnus positum in eadem sub ascella prope aliud et illud dicunt non esse mortale. Item invenerunt in ea unum aliud vulnus positum in eadem sub ascella et illud dicunt non esse mortale. Plura vulnera mortalia nec inmortalia in eo non invenerunt.

Millesimo Ducentessimo Nonagesimo Quinto die Martis Vigesimo Septo mensis aprilis comparunt predicti medici coram domino Lantelmo et juraveerunt esse vera ea quod superius scipta sunt. Et ea diligenter vidisse et examinasse…?“

ÜBERSETZUNG

„Die Magister und Ärzte Frater Nicholaus und Vinciguerra für das Gemeinwesen im Auftrag von Lord Lanternus: Die Richter der Macht des Herrn für Hexerei gingen in das Land der Burg Bricton, um den Sohn von Chr. zu sehen und zu untersuchen. Sie sagen, dass Johannes nach Ihrer Begutachtung verwundet und tot war, dass sie bei ihm eine Wunde in der Nähe der rechten Handschelle in der Brust gefunden haben, und sie sagen, dass es sich um eine tödliche Wunde handelte. Außerdem fanden sie bei ihm eine Wunde an der linken Seite der Hüfte, und sie sagen, dass diese nicht tödlich war. Sie fanden bei ihm auch eine Wunde am Hinterkopf auf der rechten Seite, und sie sagen, dass diese nicht tödlich war. Wieder fanden sie bei ihm eine weitere Wunde unter der linken Achselhöhle, und sie sagen, dass diesetödlich war. Wieder fanden sie bei ihm eine weitere Wunde, die in derselben Achselhöhle neben einer anderen lag, und sie sagen, dass diese nicht tödlich war. Wieder fanden sie bei ihr eine weitere Wunde in derselben Achselhöhle, und sie sagen, dass diese nicht tödlich war. Sie fanden bei ihm keine weiteren tödlichen oder nicht tödlichen Wunden.

Am Dienstag, dem siebenundzwanzigsten April eintausendzweihundertfünfundneunzig, erschienen die oben genannten Ärzte vor Herrn Lantelmus und schworen, dass das, was oben geschrieben wurde, wahr sei. Und er hatte sie sorgfältig gesehen und untersucht…“

ABMESSUNGEN

Blatt: 11 x 23,5 cm; Schriftspiegel: 8 x 22 cm.

ZUSTAND

Guter Zustand. In den Rändern etwas gebräunt. Alte Aktenlochung. Der Oberrand beschnitten.

PROVENIENZ

Deutsche Privatsammlung.

REFERENZEN

Literatur: Bohne, Die gerichtliche Medizin im italienischen Statutarrecht des 13.-16. Jahrhunderts, Vjschr. f. gerichtl. Med. III/61 (1921), 66-86.

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Preis
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Tilo Hofmann
Artikelnummer
S862
Handschriftlicher Leichenschaubericht in einem Tötungsdelikt

Bologna, 27. April 1295

Die beiden Ärzte Magister Fr. Nicholaus und Magister Vinciguerra begutachten im Auftrag des deputierten Strafrichters Lanternus in der Bologneser Gemarkung „Castrum Brictonis“ den Leichnam eines gewaltsam zu Tode gekommenen Jungen („vulneratum et mortuum“). Neben harmloseren Verletzungen identifizieren sie auch zwei tödliche Wunden, nahe der rechten Brustwarze („unum vulnus positum prope manillam dextram“) sowie unterhalb der linken Achselhöhle („sub ascella sinistra“).

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Highlight

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