AUS DER BIBILIOTHEK VON GERHARD JASPERS

Die Himmelsstraße von Landskrana

AUTOR

Stephan von Landskron (1412-1477)

TITEL

Das bůch ist genant Die Hymelstraß.

DRUCKER

Lukas Zeissenmair, Augsburg, 1501

BESCHREIBUNG

Äußerst seltene zweite Ausflage dieses großartigen katechistischen Werkes von Stephan von Landskron (oder auch Landskrana) über ein tugendhaftes Leben, das am Ende in den Himmel führt, in volkstümlicher deutscher Sprache gedruckt. Von der „Hymelstraß“ sind lediglich zehn Handschriften und drei Frühdrucke überliefert. Es ist für die „armen vnd plöden, tregen, verdrossen, vergessigen vnd einueltigen leuten“ bestimmt und entstand 1465. Das Werk verbindet auf interessante Weise Volkskatechismus, Beichtbüchlein, Ars Moriendi und Gebetbuch.

„Vom theologischen Aspekt abgesehen, liegt die Bedeutung dieses Hauptwerkes von L. namentlich im weitgefächerten Spektrum der zeitgenössischen Gesellschaft, mit dem der Verfasser auch den heutigen Leser noch zu fesseln vermag. Bedeutsam für die (historische) Volkskunde ist auch der Aberglaubenskatalog, den L. seinen Betrachtungen zum ersten Gebot anhängt. Interessanterweise warnt er hier auch vor dem Kult der Vierundzwanzig Alten aus der Apokalypse (vgl. das damals sehr beliebte Werk von Otto von Passau). Nicht selten haben die von ihm erörterten Aspekte des täglichen Lebens noch heute Aktualität, wie seine Bemerkungen zur Abtreibung, zum Arbeitsethos und zur Gestaltung der Freizeit zeigen. Quellen für sein mit Zitaten, Sprüchen und Exempla gespicktes Hauptwerk sind die Bibel, Kirchenschriftsteller und antike Philosophen. L. steht hiermit durchaus in der Tradition der „Wiener Schule“, wie auch der Gebrauch der zeitgenössischen volkskatechetischen Topoi zeigt. Seine Originalität liegt darin, daß er dieses Gemeingut mit urwüchsigen volkstümlichen Elementen verbindet, und dies in einer Sprache, die bei aller Beherrschung rhetorischer Kunstmittel auf Grund ihrer Bildhaftigkeit sowie der Verwendung volkstümlicher und sprichwörtlicher Redensarten allen verständlich war. Dieser Stil, sein Anknüpfen an das Zeitgeschehen (Pestepidemien, politische Wirren) und die Art und Weise, wie er sich ohne Unterschied Sünder aller Gesellschaftsschichten vornimmt, machten das Werk zu einem geschätzten religiösen Volksbuch, dessen Beliebtheit u. a. aus der beachtlichen Zahl (38) der erhaltenen Inkunabelexemplare hervorgeht.“ (Quelle: Jasper, Gerard J., „Landskrana, Stephan“ in: NDB 13 (1982), S. 520-521.

Landskrana studierte die Rechte in Wien und schloss sich der 1388 von Heinrich von Langenstein begründeten „Wiener Schule“ an. 1430 legte er Profeß im Dorotheastift ab. Er vertrat seinen Propst in dessen Amt als Visitator der Augustiner-(innen)klöster in Bayern und Österreich und war Dechant des Chorherrenstifts Chiemsee. 1458 wurde er zum Propst von St. Dorothea in Wien gewählt. Wie seine Schriften zeigen, war Landskrana eifrig bemüht, die längst fällige Reform in den ihm unterstellten Klöstern durchzuführen. Er verfiel dabei jedoch nicht in einen bornierten Fanatismus, wie u.a. aus seiner hier vorliegenden Interpretation der Zehn Gebote der „Hymelstraß“ hervorgeht. In diesen Schriften erscheint er vielmehr als der liebevolle Seelenhirt aller seiner Anvertrauten, innerhalb wie außerhalb der Klostermauern. Dabei schreibt er einen kernigen, volkstümlichen Stil und kritisiert die von ihm in den Klöstern festgestellten Mißstände: Unwissenheit und Lässigkeit im Einhalten der Gelübde. Bezeichnenderweise nennt er sich im nur handschriftlich überlieferten „Spiegel der Klosterleut“ „ein sunderlich liebhaber geistlicher Ordnung vnd junckfrauulicher raynigkait“.

AUSSTATTUNG

Zweispaltige gotische Type in 37 Zeilen. Über den Satzspiegel die gedruckte Seitenangabe. Eine ganzseitige Holzschnitt-Illustration auf der Rückseite des Titelblattes. Eine ganzseitige Holzschnittillustration auf der Rückseite des Titelblattes, die Straße zum Himmel zeigend.
Satzspiegel: 20 x 13,5 cm. Blattmaße: 24,5 x 18 cm.

KOLLATION

167 röm. num. Blatt (I-CLXVII); 6 nicht num. Blatt. Vollständig.
Lagenformel: a-z8/6; i-v; i-vi.

EINBAND

Moderner Holzdeckelband. Rücken und etwa ein Drittel des Deckels mit barunem Kalbsleder überzogen. Vier Bünde. Rücken mit altem, goldgeprägtem Titelschild. Guter Zustand. Bindung und Buchblock fest und stabil. Buchblock ragt vorn etwas über die Deckel.
Kleinfolio:  26,5 x 19 x 4,5 cm.

ZUSTAND

Guter Zustand. Kräftiger, haptisch fühlbarer Druck auf festem Büttenpapier. Papier durchgehend gebräunt und in den Rändern partiell stock- und braunfleckig. Von oben her mehr oder weniger stark wasserfleckig. Titelblatt, Blätter II, LII, LIII, CLV sowie das letzte Blatt in den Ränden alt und etwas unschön mit Papier restauriert und angerändert. Hiervon betroffen ist auch der Holzschnitt an der unteren Ecke. Auf den Titel vorn ein altes Titelschild montiert.Ansonsten solider Originalzustand des Papiers.

PROVENIENZ

Aus der Bibliothek von Gerard Jaspers (1932-2020).

NACHWEIS

Literatur: VD16 S 8920.

Bibliotheken: Lt. VD16 lediglich 3 Exemplare in Bibliotheken (BSB München, LMU Mch., DNB Leipzig).

KULTURGUT SICHER ERWERBEN

Hiermit wird die einwandfreie Herkunft der vorliegenden Postinkunabel bestätigt. Das Werk ist zum Zeitpunkt des Verkaufs frei von Rechten Dritter und wurde mit der LostArt-Datenbank abgeglichen. Bei Ausfuhr in nicht EU-Länder besteht keine Ausfuhrgenehmigungspflicht.

Preis
4.400 €
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Tilo Hofmann
Artikelnummer
R796
Über ein Tugendhaftes Leben: Die Himmelsstraße

Stephan von Landskron

Das bůch ist genant Die Hymelstraß.

Lukas Zeissenmair, Augsburg, 1501

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Highlight

Wahrlich ein unglaublicher Schatz!

Das Vierte gedruckte Buch:
Schöffers Durandus von 1459

Diese hier vorliegende Druckausgabe der „Rationale“ von Durandus ist von höchster Bedeutung für die Geschichte der Typographie und gilt als das dritte datierte und vierte überhaupt gedruckte Buch. Vorausgegangen waren lediglich die um 1455 gedruckte Gutenbergbibel sowie die ebenfalls in der Offizin von Fust und Schöffer entstandenen Psalter vom 14. August 1457 und vom 29. August 1459. Eigens für diesen Druck schuf Peter Schöffer die sogenannte „Durandus-Type“, eine Gotico-Antiqua, die Elemente der Rotunda mit den Stilmerkmalen der italienischen Humanistenhandschriften verbindet.

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