Nicolaus de Lyra (1270-1349)
Postilla super totam Bliblia.
Mit den Expositiones des Guillelmus Brito, Additiones von Paulus de Sancta Mari und den Replicationes des Matthias Doering. Zwei Bände.
Anton Koberger, Nürnberg 22.1.1481
Letztes Blatt mit Kolophon und Datierung.
Hervorragend erhaltenes, genuines und vollständiges Exemplar der ersten monumentalen Koberger-Ausgabe der „Postillae perpetuae“, des fortlaufenden Bibelkommentars des französischen Franziskaner-Gelehrten Nikolaus von Lyra, welcher zwischen 1322 und 1330 entstand.
Obwohl Hain dieses Werk mit drei Bänden aufführt, bezeichnet es der BMC richtigerweise mit zwei Bänden. Band I des vorliegenden Exemplars in der seltenen Satzvariante a) mit dem Kennzeichen auf Blatt 1 „Prologus primus venerabilis fratris Nicolai de lira in testamentus vetus“ statt Variante b) „Prologus primus venerabilis fratris Nicolai de lira in testamentus vetus“.
Nikolaus de Lyra gilt als „der hervorragendste Exeget der Franziskaner und Skotistenschule“ (Grabmann). Sein Werk ist „eine mit gründlicher Kenntnis der früheren katholischen Ausleger und Theologen (namentlich des heiligen Thomas von Aquin) sowie der hebräischen Sprache und der jüdischen Ausleger (besonderes des Raschi) geschriebene Auslegung des Literalsinns der ganzen Bibel, im späten Mittelalter neben der Glossa ordinaria der verbreitetste und einflußreichste Bibelkommentar, der erste gedruckte“
(LThK VII, 580). Die Kommentare von Nikolaus von Lyra prägten die Theologie das gesamte Spätmittelalter hindurch und fanden noch bis in die Reformationzeit Anwendung: „Si Lyra non lyrasset, Lutherus non saltasset“, wie man damals zu spotten pflegte. Die Holzschnitte zeigen u.a. die Arche Noah, die Kandelaber eines Hohen Priesters, Tempelanlagen in Jerusalem und vieles mehr.
Zweispaltige gotische Type in 71 Zeilen. 43 (davon acht ganzseitige) teils schematische Textholzschnitte.
„The woodcuts illustrating the Pentateuch and Prophets in this edition were copied on a smaller scale for Koberger’s edition of the Biblia cum postillis, and gave many suggestions to the illustrators of the Venetian edition of 1489“ (BMC).
Band I mit jungfräulichen (leeren) Initialspatien. Band II im Gegensatz mit einer großen 9-zeiligen Schmuckinitiale in Rot und Blau mit Federwerk sowie Hunderten von roten und blauen handgemalten großen und kleinen Lombarden sowie durchgehender Rubrizierung in Rot.
Satzspiegel: 29 x 18,5 cm. Blattabmessungen: 38,5 x 27 cm.
430 (statt 432) nicht num Blatt; 506 (statt 507) nicht num. Blatt. Lediglich ohne das erste und letzte weiße Blatt in Band I und das letzte leere in Band II. Im Text vollständiges Exemplar.
Lagenformel:
Band I: a-e8; f-o6; p8; q-z6; A-L6; M10; N6; O-P8; Q-Z6; aa-xx6; yy10.
Band II: a-b6; c8; d-z6; A-B6; C8; D-N6; O8-1; P-Z6; aa-zz6; AA-NN6; OO10.
Zwei Renaissance-Einbände vom Ende des 16. Jahrhunderts. Blindgeprägtes Schweinsleder über schweren, abgefasten Holzdeckeln. Abweichend aber ähnlich gebunden und wohl bereits im 18. Jahrhundert als Set vereint. Gebunden auf fünf echten Bünden. Rücken mit alten handschriftlichen Rückenschildern. Schließbeschläge fragmentarisch vorhanden. Schließbügel fehlen. Guter Zustand mit Gebrauchsspuren. Buchblöcke und Bindungen fest und stabil. Deckel fleckig, berieben und beschabt sowie mit Wurmlöchern. Kapitale und Ecken teils etwas abgeschürft und etwas eingerissen. Vorsätze von Band I erneuert. Innengelenke offen und alt repariert. Fliegender Vorsatz von Band II lose.
Großfolio: 40,5 x 28 x 24 cm (H x B x D). Gewicht: 13 kg.
Sehr guter, größtenteils ausgezeichneter Zustand. Haptisch fühlbarer Druck auf festem, klangvollen Büttenpapier. Sauberes und breitrandiges Exemplar. Durchgehend nur minimal gebräunt und partiell gering wasserrandig und gelegentlich nur ganz leicht braun- und stockfleckig. Am Anfang und Ende mit einigen kleinen Wurmlöchern. Vereinzelt einige Marginalien von alter Hand.
Literatur: ISTC in00135000; GW 26513; BSB-Ink N-114; BMC II, 419; Hain-Copinger 10369; Gaff N-135; Proctor 1998; Bodleian N-059; Borm 1939; Collijn 1088; Hartig 505; Hubay 1491; Jaspers 117; Lökkös 314; Nentwig 80; Oates 994; Ohly-Sack 2107; Rhodes 1237; Sack 2558; Schramm XVII, 1-43; IBE 4102; IDL 3362.
Hiermit wird die einwandfreie Herkunft der vorliegenden Inkunabel bestätigt. Das Werk ist zum Zeitpunkt des Verkaufs frei von Rechten Dritter und wurde mit der LostArt-Datenbank abgeglichen. Es besteht gemäß den geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine Ausfuhrgenehmigungspflicht bei Sendung ins außereuropäische Ausland.
Nikolaus de Lyra
Postilla super totam Bliblia.
Anton Koberger, Nürnberg 22.1.1481
Reich illuminierte Handschrift auf Jungfernpergament. Diese Handschrift gehört zu den sogenannten „Perlbibeln“, den kleinsten Vollbibeln überhaupt. Dieser Handschriftentyp wurde im frühen 13. Jahrhundert im Umkreis der Pariser Universität entwickelt, um den neuen Bedürfnissen der sich zu dieser Zeit herausbildenden Metropolen zu entsprechen. Insbesondere die gewachsenen Anforderungen an Mobilität ließen die bis dahin in den Abmessungen eher voluminösen Bibeln auf ein Kleinstformat reduzieren. Sie passte somit unter die Kutten der Mönche, die das Wort Gottes in den Metropolen verbreiteten. Daher wird dieser Bibeltypus auch „Taschenbibel“ genannt.
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