Erhard Tuffer (urkundlich erwähnt von 1423 – 1471),
Kirchherr und Dekan zu Villingen
Spätmittelalterlicher Bibelcodex der Vulgata
„Codex membranaceus sacorum Bibliorum latino sermone scriptus.“
Dekanat Villingen, 1453/1554
Der Schreiber Erhard Tuffer gibt an drei Stellen des Codex in einem sogenannten „Explicit“ den Abschluss seiner jeweiligen Arbeiten an:
Januar 1554 am Schluss des 4. Königsbuches (Blatt 112 verso)
Der letzte handschriftliche Eintrag Tuffers lautet: „Explicit Neemias et scripta finitus per me Erhardum Tuffer Rectorem Ecclesie parochialis in opido vilingen et decanum decanatus eiusdem Anno domini .M(o)ccccliiij(o). die mensis Aprilis quarta que fuit dies Sancti Ambrossii episcopi et eximij doctoris ecclesie et dies Jouis Indicatione secunda“
Übersetzt lautet dies:
„Hier schließt Nehemias und die Schriften, beendet durch mich Erhard Tuffer, Rektor der Pfarrkirche in der Stadt Villingen und Dekan desselben Dekanats, im Jahr des Herrn 1454 am vierten Tag des Monats April, der der Tag des Heiligen Ambrosius, Bischofs und herausragenden Lehrers der Kirche, war und der Donnerstag in der zweiten Indikation.“
Tuffer schreibt, wenn man den Zeitverlauf seiner drei Eintragungen analysiert, am Tag durchschnittlich zwei Blatt. Legt man diese Erkenntnis zugrunde, müsste er mit der Niederschrift dieses Codices ungefähr am 01. Dezember 1453 begonnen haben. Der ganze Band wäre von ihm somit in viereinhalb Monaten niedergeschrieben worden. Diese Erkenntnis gibt einen interessanten Einblick in den Anteil der Arbeit eines Dekans, welchen er mit Schreiben zugebracht hat.
Authentisches und zur Entstehungszeit passendes Wasserzeichen Ochsenkopf
Vorliegend eine im Zusammenwirken von Herkunft, Machart, Inhalt, Illumination und Ketteneinband kaum zu übertreffende Handschrift auf Papier in lateinischer Sprache.
Gemäß dem Schriftspiegel und der Art der Initialen handelt es sich um eine typische Klosterhandschrift aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Der originale, restaurierte spätgotische Ketteneinband ist wohlerhalten und kann als frühes Produkt süddeutscher Einbandkunst bezeichnet werden.
Da im Jahr 1454 der Buchdruck durch Johannes Gutenberg gerade erfunden war, jedoch zu dieser Zeit noch keine Verbreitung gefunden hatte, waren die Klöster und Kirchgemeinden nach wie vor gezwungen, ihre Lektüren im klassischen Stil von anderen Originalen oder Kopien abzuschreiben. Man hoffte auf den Vormarsch des Buchdruckes, aber diese Medienrevolution erreichte nur sukzessive die Klosterkemenaten. Handschriften wie die vorliegende sind einzigartige, begehrte und unwiederbringliche Kulturgüter.
In diesem Bibelcodex niedergeschrieben sind die Historischen Bücher des Alten Testaments, beginnend mit den Königsbüchern I-IV („Prologus In libros Regum, Incipit p(pre)facio Sancti Hieronimi“).
Hier der genaue Inhalt:
Königsbücher I Blatt 1 – 34
Königsbücher II Blatt 34 – 57
Königsbücher III Blatt 57 – 87
Königsbücher IV Blatt 86 – 112
Chronikbücher (Paralipomenon) I Blatt 113 – 135
Chronikbücher (Paralipomenon) II Blatt 135 – 162
Buch Job (Hiob) Blatt 163 – 182
Buch Tobias Blatt 183 – 190
4 Leerblätter Blatt 191 – 194
Buch Judith Blatt 195 – 204
Buch Ester Blatt 205 – 214
Buch Esra Blatt 215 – 222
Buch Nehemia Blatt 222 – 232
Einspaltige, 32-35-zeilige gotische Kursive in brauner Tinte auf Büttenpapier. Durchgehend Kapitelüberschriften, Rubrizierung und diverse Randkommentare der gleichen Hand in Rot. Unauffällige Reglierungen.
Blattmaße: 27 x 20,5 cm; Schriftspiegel: 19 x 11,5 cm.
Randmaße: Links, Oben, Rechts 4 cm; Unten 4,5 cm.
17 große, sehr dekorative Federwerksinitialen in Rot mit braunen Rankenausläufern. Hunderte kleinere Lombarden in Rot und Schwarz. Etliche Randkommentare derselben Schreiberhand sowie „Hände“.
232 nicht num. Blatt. Der Text ist augenscheinlich und nach Lagenzählung vollständig.
Lagenformel in Octav: i-xxix8.
Originaler, spätgotischer Ketteneinband. Kalbsleder über massiven Holzdeckeln. Rechteckig und diagonal verlaufende Streicheisenlinien. Auf dem hinteren Deckel noch gotische Blütenstempel erkennbar. Deckelleder stärker berieben und beschabt. Neun stilgerecht erneuerte Buckelbeschläge sowie ein Mittelbeschlag auf dem Vorderdeckel. Zwei ebenso erneuerte, intakte Schließen. Die ehemals unten angebrachte Kette oben neu montiert. Gebunden auf drei Bünden. Einband restauriert, der Rücken sowie die Spiegel und Vorsätze erneuert. Buchblock mit Resten von von alten Blattweisern.
Abmessungen: 30 x 21 x 8,5 cm (HxBxD)
Für eine mehr als 550 Jahre alte Handschrift guter, größtenteils sehr guter Zustand. Überwiegend saubere und breitrandige Handschrift. Die erste Lage in den Rändern stärker wasserfleckig. Im weiteren Verlauf in den Rändern schwächer wasserfleckig. Schriftspiegel sehr sauber und mit kräftiger und frisch wirkender Initialmalerei. Letzte Lage mit Randläsuren und stärker gebräunt. Erste und letzte Lage neu eingehangen bzw. angefalzt. Keine nennenswerten Risse, Ausrisse oder Verluste.
Erhard Tuffer (urkundlich erwähnt von 1423 – 1471)
01.04.1423 Erste Bezeugung (Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 32, 1880, S. 288)
23.06.1426 Jahrtagsstiftung der Villinger Schuhmacherzunft, bestätigt durch E.T., Kirchherr zu Villingen (Urkunde Nr.1933 im Stadtarchiv Villingen)
03.07.1432 Erhard T., Kirchherr zu Villingen als Siegler (Urk. Nr.351)
15.03.1441 Streit zwischen der Stadt und der Kirchgemeinde Villingen, besonders E.T., Kirchherr und Dekan in Villingen (Urk.Nr. 394/395)
21.02.1452 Zusammenschluß von Schwestern; diesem stimmt E.T., Kirchherr und Dekan zu Villingen zu (Urk.Nr.447)
30.07.1463 E.T., Kirchherr zu Villingen stimmt der Einsetzung eines Priesters zu (M. Krebs, Die Investiturprotokolle der Diözese Konstanz aus dem 15. Jahrhundert, 1938-53, S. 924)
1468-69 Verfasser eines Registers zu Durandus: Rationale divinorum (Handschrift Stuttgart, Cod. theol. fol. 183a)
26.06.1471 Betr. einen Hof in Rietheim. Als Siegler erscheint E.T., Kirchherr und Dekan zu Villingen (Urk.Nr. 2927)
Ähnlicher Bibelcodex in der Bibiotheca Rinckiana, Rink & Glafey, Bibliotheca Rinckiana, Leipzig, 1747; VD18 12499110; Universitätsbibliothek Tübingen – Ke XXIV 76.
Erworben aus einer alten Nürnberger Privatsammlung.
Hiermit wird die einwandfreie Herkunft der vorliegenden Handschrift bestätigt. Das Werk ist zum Zeitpunkt des Verkaufs frei von Rechten Dritter und wurde mit der LostArt-Datenbank abgeglichen. Für die Lieferung außerhalb der EU ist eine Ausfuhrgenehmigung der Kulturbehörden erforderlich. Diese wird von uns nach Eingang des Kaufpreises beantragt und dauert ca. 14 Tage.
Erhard Tuffer (urkundlich 1423 – 1471)
Dekanat Villingen, 1453/1554
Reich illuminierte Handschrift auf Jungfernpergament. Diese Handschrift gehört zu den sogenannten „Perlbibeln“, den kleinsten Vollbibeln überhaupt. Dieser Handschriftentyp wurde im frühen 13. Jahrhundert im Umkreis der Pariser Universität entwickelt, um den neuen Bedürfnissen der sich zu dieser Zeit herausbildenden Metropolen zu entsprechen. Insbesondere die gewachsenen Anforderungen an Mobilität ließen die bis dahin in den Abmessungen eher voluminösen Bibeln auf ein Kleinstformat reduzieren. Sie passte somit unter die Kutten der Mönche, die das Wort Gottes in den Metropolen verbreiteten. Daher wird dieser Bibeltypus auch „Taschenbibel“ genannt.
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