15 JAHRE NACH DER GUTENBERGBIBEL

Der erste Druck von Günther Zainer in Augsburg

AUTOR

Guillelmus Durandus (1230-1296)

TITEL

Rationale divinorum officiorum.

DRUCKER

Günther Zainer, Augsburg, 22. Januar 1470.

BESCHREIBUNG

Zweite, prachtvoll illustrierte Ausgabe dieses Buches über das Wesen und die Symbolik der römisch-katholischen Liturgie, welches erstmals 1459 bei Fust & Schoeffer in Mainz erschien und neben der Bibel zu einem der frühesten Bestseller im 15. Jahrhundert avancierte. Vorliegender Druck ist die zweite Ausgabe dieses Werkes und gleichzeitig nachweislich eine der ersten bei Günter Zainer in Augsburg gedruckten Inkunabeln, welche in den Folgejahren in dutzenden Auflagen in verschiedensten Offizinen in Europa erschien.

Bei dem vorliegenden Exemplar ist bemerkenswert, dass die bei den ersten gedruckten Exemplaren die offensichtlich fehlende Tabula durcheine zeitgenössische handschriftliche Tabula auf dem gleichen Papier mit identischem Ochsenkopf-Wasserzeichen geschrieben wurde. Dies ist somit ein herausragendes Zeugnis der Herausforderungen der frühen Buchkunst. Neben dieser Tatsache besticht das vorliegende Exemplar durch seine einzigartige, qualitätsvolle Buchmalerei, welche ebenso ein Zeugnis früher Augsburger Buchkunst darstellt.

Durandus von Mende war ein französischer Dominikaner, Kanonist und Liturgiker. Nach Abschluss seiner Studien in Lyon und Bologna lehrte er zunächst Kanonisches Recht in Modena. Im Jahr 1251 war er Kanoniker an der Kathedrale von Maguelone. Nach 1265 wurde er nach Rom berufen, wo er unter Clemens IV. päpstlicher Kaplan und Auditor an der Römischen Rota wurde. Er war Teilnehmer am Zweiten Konzil von Lyon. Im Jahr 1279 wurde er Dekan in Chartres. Im Jahr 1286 erfolgte seine Ernennung zum Bischof von Mende. 1295 berief ihn Papst Bonifatius  VIII. zurück nach Rom an die römischen Kurie, wo er ein Jahr später verstarb.

AUSSTATTUNG

Zweispaltige, gotische Type mit 50 Zeilen. Foliierung und Kapitelzählung von zeitgenössischer Hand in roter Tinte. Die handschriftlichen Lagensignaturen sind zum Teil noch sichtbar. In Rot rubriziert und mit Hunderten von Hand eingemalten roten Lombarden.

Neun prachtvoll handgemalte große Initialen in Blau- oder Violetttönen mit Blattranken im Stamm, teils mit der für den Augsburger Buchschmuck typischen Maiblumenfüllung sowie mehrfarbigen Akanthusausläufern. Die besonders kunstvolle Startinitiale in Blau auf Goldgrund in grün/rotem Rahmen, mit Rankenausläufern im Bund-, Kopf- und Fußsteg, besetzt mit mehrfarbigen Blüten, Akanthus und Goldpollen. Ein hervorragendes Beispiel früher Augsburger Buchmalerei.

Satzspiegel: 29 x 19,5 cm.; Blattgröße: 40 x 29 cm.

KOLLATION

217 nicht num. Blatt. Die hier, wie in den meisten anderen Exemplaren, fehlende Tabula durch zwei von zeitgenössischer Hand geschriebene Blatt ersetzt. Diese wurden also nicht entnommen, sondern dem Buchbinder so beigegeben. Vollständiges Exemplar.
Lagenformel: *2; a-d10/8; e10; f6; g-m10/9; n10; o7; p-y10/8; z10; aa7.

EINBAND

Originaler, spätgotischer Einband aus der Meisterwerkstatt des Augsburger Kreuzblumen-Buchbinders (Kyriss 89). Blindgeprägtes Kalbsleder über schweren Holzdeckeln auf vier echten Bünden. Deckel mit rechteckig und diagonal verlaufenden Streicheisenlinien. In den Feldern Stempel Basilisk, Palmette, Schriftband u.a. (siehe Schunke/Rabenau, Schwenke-Sammlung II, Seite 9f.). Zwei kunstvoll gefertigte, stilistisch passende und intakte, jedoch wohl erneuerte Schließen. Vorderdeckel mit handschriftlichem Titelschild. Auf dem später erneuerten Rücken Blattwerkstempel und vergoldeter Rückentitel.

Einband unter weitgehender Erhaltung der Originalsubstanz fachgerecht und kaum sichtbar restauriert. Spiegel und Vorsätze erneuert. Sehr guter Zustand. Buchblock und Bindung fest und stabil.

Großfolio: 42 x 31 x 8 cm.

ZUSTAND

Sehr guter Zustand. Äußerst breitrandiges und sehr sauberes Exemplar. Nur partiell etwas finger- und gebrauchsfleckig. Kräftiger, haptisch fühlbarer Druck auf festem Büttenpapier. Die ersten beiden handschriftlichen Blatt fleckig, mit reparierten Randläsuren sowie einigen kleinen Wurmlöchlein. Äußerst breitrandiges und sauberes Exemplar. Die letzten Blätter gering wurmstichig.

PROVENIENZ
  • Augustiner Chorherrenstift Polling – deren mit 1744 datiertes gestochenes Exlibris auf dem Vorderspiegel.
  • Königliche Bibliothek München – deren Besitzeintrag „Inc. Typ. Nro. 539“ auf der Rückseite der Tabula.
  • Bischof von Bristol (James Henry Monk?) – handschriftlicher Eintrag in Blockschrift „Episcopi Cliftonien.“.
  • Christie’s London – versteigert am 17.11.1976 in den Londoner Handel.
  • Bernd Oetter (1937-2022) – dessen Exlibris auf dem Vorderspiegel. Er erwarb dort das Buch 1977.

Vermutlich ist das Buch 1803 im Verlauf der Säkularisation des Klosters Polling in die Königliche Bibliothek nach München gelangt und Mitte des 19. Jahrhunderts dort versteigert worden, wodurch etliche Bücher nach England gelangten. Dort dürfte der Bischof von Bristol dieses Exemplar erworben haben, welches dann 1976 in den Londoner Handel gelangte, wo es der damalige stellvertretende Presseattaché an der Deutschen Botschaft London (Bernd Oetter) erwarb. Von uns von dessen Erben erworben.

REFERENZEN

Literatur: ISTC id00404000;  GW 9103;  BSB-Ink D-325; Proctor 1523; Hain 6472; Goff D404; Pellechet 4492; CIBN D-279; IGI 3616; IBP 2012.

Bibliotheken: ISTC listet Exemplare in lediglich 49 Bibliotheken (davon 17 in Deutschland), von denen lediglich 37 vollständig sind.

Handel: Reiss & Sohn, Königstein, 29.10.2019, A 195, Lot 81: Pergamentexemplar von Fust & Schöffer aus dem Jahr 1459 für 350 T€ zugeschlagen. Einzelblätter aus diesem Werk erzielen im Handel zwischen 5 und 20 T€. Unser Exemplar seit 1976 weltweit nicht im Handel.

KULTURGUT SICHER ERWERBEN

Hiermit bestätigen wir Originalität sowie einwandfreie Herkunft der vorliegenden Inkunabel. Das Objekt ist zum Zeitpunkt des Verkaufs frei von Rechten Dritter und wurde mit den Verlustdatenbanken abgeglichen. Ferner ist hier eine unbedenkliche Provenienz nachweisbar. Für die Lieferung außerhalb der EU ist eine Ausfuhrgenehmigung der Kulturbehörden erforderlich. Diese wird von uns nach Eingang des Kaufpreises beantragt und dauert ca. 14 Tage. Für die Verbringung in EU-Länder ist aufgrund der festgelegten Wertegrenzen keine Ausfuhrgenehmigung erforderlich.

Preis
32.500 €
*
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Tilo Hofmann
Artikelnummer
S364
Sensationell frühes Rationale divinorum im Originaleinband

Guillelmus Durandus

Rationale divinorum officiorum.

Günther Zainer, Augsburg, 22. Januar 1470

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Highlight

Wahrlich ein unglaublicher Schatz!

Das Vierte gedruckte Buch:
Schöffers Durandus von 1459

Diese hier vorliegende Druckausgabe der „Rationale“ von Durandus ist von höchster Bedeutung für die Geschichte der Typographie und gilt als das dritte datierte und vierte überhaupt gedruckte Buch. Vorausgegangen waren lediglich die um 1455 gedruckte Gutenbergbibel sowie die ebenfalls in der Offizin von Fust und Schöffer entstandenen Psalter vom 14. August 1457 und vom 29. August 1459. Eigens für diesen Druck schuf Peter Schöffer die sogenannte „Durandus-Type“, eine Gotico-Antiqua, die Elemente der Rotunda mit den Stilmerkmalen der italienischen Humanistenhandschriften verbindet.

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